EINLEITUNG

 

Zweck dieses Handbuchs

Dieses Handbuch wendet sich an Professionals, die sich mit der Beurteilung und dem Management der Luftqualität in ihrer Stadt befassen. Es will praktische Anleitungen geben, die sich auf Expertenwissen und praktische Erfahrungen in europäischen Städten stützen. Es diskutiert viele Fragen, die auf die Tagesordnung kommen, wenn Städte die Verringerung der Luftverschmutzung in Angriff nehmen. Die Papierversion des Handbuchs stellt diese Themen dar und formuliert Empfehlungen; die zu dem Buch gehörende CD-ROM enthält zusätzlich eine Reihe von Beispielen guter Praxis. Der Inhalt des Handbuchs und der CD-ROM können auch als “Datenbank Gute Praxis” von der Webseite www.integaire.org abgerufen werden.

 

Die Bedeutung der Städte für die Verbesserung der Luftqualität

Städte sind entscheidende Akteure in Sachen Luftverschmutzung, sowohl als Verursacher wie auch als Opfer. Große Teile der Bevölkerung leben und arbeiten in Städten, und die damit verbundenen Emissionen gefährlicher Substanzen geraten in der Nähe von Menschen in die Luft. Die Städte spielen bei der Implementierung der nationalen und europäischen Rechtsvorschriften über Luftqualität eine entscheidende Rolle, und sie tragen große Verantwortung für den Schutz der Gesundheit ihrer Bürger.

 

Wichtige Themen für städtische Beamte

Um erfolgreich arbeiten zu können, müssen städtische Beamte sich mit einem breiten Spektrum von Themen auseinandersetzen, die oft von ausschlaggebender Bedeutung sind und von Fragen der Governance bis zu technischen Problemen reichen. Dieses Buch will ihnen Erklärungen, Empfehlungen und Beispiele an die Hand geben. Die Themen sind nach Bereichen geordnet: Rechtsfragen, Governance, Beurteilung, Planung und Maßnahmen.

 

Die Städte können voneinander lernen

Seit der Verabschiedung der EU-Rahmenrichtlinie über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität und ihrer Tochterrichtlinien sind große Teile der nationalen Rechtsvorschriften über Luftqualität durch europäisches Recht ersetzt worden. Das hat zur Folge, dass der rechtliche Rahmen für Städte in der Europäischen Union weitgehend vereinheitlicht worden ist. Während Städte sich üblicherweise hauptsächlich mit anderen Städten in ihrem eigenen Land austauschen, können sie jetzt viel aus internationalem Erfahrungsaustausch lernen.

 

Das Netzwerk INTEGAIRE

INTEGAIRE (Integrated Urban Governance and Air Quality Management in Europe – Integrierte Governance in Städten und Luftqualitätsmanagement) wurde im März 2002 ins Leben gerufen und soll Hilfestellungen für die Verbesserung der Luftqualität in Städten liefern. Das Netzwerk wurde vom Fünften Rahmenprogramm für Forschung der Europäischen Union finanziert, und zwar als Teilprojekt der Leitaktion „Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe“. An INTEGAIRE haben drei Jahre lang zehn Städte, drei Städteverbände und vier Forschungsinstitute zusammengearbeitet. Zusätzlich zu diesem Handbuch hat INTEGAIRE auch Empfehlungen über Politikentwicklung für das EU-Programm CAFE (Clean Air For Europe – Saubere Luft für Europa) sowie Empfehlungen für die GD Forschung der EU-Kommission sowie für die Wissenschaft Empfehlungen über Forschungsbedarfe formuliert.

 

 

 

Die Entstehung dieses Handbuchs

Die Anleitungen in diesem Handbuch wurden von INTEGAIRE-Mitgliedern ausgearbeitet. Nachdem die zu behandelnden Themen ermittelt waren, haben die Städte die Darstellungen der Themen entworfen; im Interesse der Lesbarkeit wurde ein einheitliches Format zugrunde gelegt: Einleitung, Diskussion, Empfehlung oder Schlussfolgerung, Literatur zur Vertiefung. Außerdem haben die Städte zahlreiche Beispiele guter Praxis zum Thema Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität zusammengetragen. Die Darstellungen der Themen und Beispiele wurden mit Hilfe elektronischer Kommunikation sowie auf einer Reihe von INTEGAIRE-Plenarsitzungen diskutiert und überarbeitet. Die Forschungsinstitute haben den Prozess strukturiert und die Städte unterstützt.

 

Die Webseite von INTEGAIRE

Die Webseite www.integaire.org informiert über das Projekt INTEGAIRE. Dort können sowohl das Handbuch als auch die Empfehlungen an CAFE und an die Wissenschaft eingesehen und heruntergeladen werden. Die Anleitungen liegen in Form einer “Datenbank Gute Praxis” vor, die mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses oder des Browsers durchsucht werden können.

 

Inhalt des Handbuchs

Den thematischen Darstellungen des Handbuchs liegt ein einheitliches Format zugrunde. Die Themen sind nach vier Teilen geordnet, die ihrerseits in Kapiteln gegliedert sind. Jedes Kapitel enthält Darstellungen mehrerer Themen.

 

               Teil                                                                  Kapitel

Governance

Geographische Integration

Beteiligung der Betroffenen („Stakeholders“)

Ressourcen für das Luftqualitätsmanagement

Kooperation innerhalb der Stadtverwaltung

Instrumente für das Luftqualitätsmanagement

Kooperation zwischen Regionen und Städten

Rechtsfragen

Rechtsfragen und die Interpretation von Richtlinien

Umsetzung von EU-Richtlinien über Luftqualität

Beurteilung

Methoden für die Überwachung der Luftqualität

Instrumente und Methoden zur Beurteilung der Luftqualität

Planung und Maßnahmen

Strategien für Luftqualität, Entwicklung von Aktionsplänen

Verkehrsbezogene Maßnahmen

Landnutzungsmaßnahmen

Planungsmodelle

 

Das Handbuch enthält außerdem eine Reihe von Beispielen guter Praxis. Diese Beispiele können zwar auch für sich gelesen werden, tragen jedoch meist auch zur weiteren Klärung der thematischen Darstellungen bei.

 

Eine vollständige Liste aller Themen und Beispiele findet sich am Ende dieses Buchs.

 

Die nun folgenden Texte sind als Einleitungen zu den vier Teilen zu lesen.

 

GOVERNANCE

Anstatt als Bestandteil einer größeren Stadtregion mit vielfältigen Verbindungen zu ihrem Hinterland und speziell zu den sie umgebenden ländlichen Gebieten werden Städte oft als Gebiete angesehen, die administrativ genau abgegrenzt sind. Diese Sicht der Dinge schlägt sich in der Art und Weise nieder, in der Städte verwaltet werden. Wegen politischer und administrativer Hindernisse und zersplitterter Zuständigkeiten werden oft gemeinsame Potenziale und Vorteile nicht ausgeschöpft. Dieser Aspekt wird im Kapitel über geographische Integration behandelt. Indessen bemühen sich die öffentlichen Verwaltungen mehr und mehr darum, für saubere Luft für Alle zu sorgen. Die Verbesserung der Luftqualität setzt Kooperation voraus, d.h. einen Prozess, an dem sich alle Betroffenen beteiligen und ihr Vorgehen abstimmen (Kapitel über Beteiligung der Betroffenen).

Die im Bereich der Luftqualität verfügbaren Ressourcen stellen eine schwierige Frage dar; gleichzeitig gehören sie zu den wichtigsten Faktoren, die darüber bestimmen, ob eine Stadt in der Lage ist, im Interesse ihrer Bürger erfolgreich Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität zu ergreifen. Einerseits müssen nicht alle wirksamen Maßnahmen kostenintensiv sein, andererseits kann auch der zur Verbesserung der Luftqualität nötige politische Wille als Ressource aufgefasst werden. Daher gibt es für Luftqualitätsmanagement eine breite Palette von nützlichen Ressourcen; je nachdem welche Aspekte behandelt werden, werden die einen oder die anderen gebraucht.

Für nachhaltige Entwicklung müssen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt und dauerhafte Umweltverträglichkeit gleichzeitig angestrebt werden; das kann nur durch einen integrierten Ansatz in der Politikentwicklung erreicht werden, bei dem verschiedene Politikfelder aufeinander abgestimmt und einem gemeinsamen Ziel zugeordnet werden (sektorale Integration).

Als Folge der Binnenmarktintegration und der zunehmenden Globalisierung sind einzelne Verwaltungsebenen immer weniger in der Lage, Planungsfragen allein zu bewältigen. Die wechselseitige Abhängigkeit aller Verwaltungsebenen nimmt zu, und gezielte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen setzen übergreifende Ziele sowie gemeinsame Orientierungen und Engagement voraus. Die Themen der vertikalen Integration werden auch die Ziele bestimmen, obwohl das besonders auf regionaler und lokaler Ebene nichts an der Schwierigkeit ändert, aus ihnen praktische Maßnahmen abzuleiten, die die unterschiedlichen örtlichen Voraussetzungen berücksichtigen.

Das Kapitel Instrumente beschäftigt sich mit dem Fehlen von harmonisierten Daten und Praktiken, die dazu dienen könnten, städtische Planungsgruppen, Politiker und Manager in die angestrebte Richtung zu lenken. Stadtplanung wird von Experten gemanagt, die zumeist von Politikern ernannt werden und je nach ihrer persönlichen Erfahrung und den örtlichen Verhältnissen auf individuell geprägte Verfahren zurückgreifen.

 

 

RECHTSFRAGEN

Die EU-Politik in Sachen Luftqualität zielt auf den Einsatz von Instrumenten, die sich zur Verbesserung der Luftqualität eignen. Die Richtlinien der Europäischen Kommission über Luftqualität regeln, wie die Qualität der Luft im gesamten EU-Gebiet zu beurteilen ist. Sie tun das manchmal in allgemeinen, manchmal in spezifischen Formulierungen, die sich darauf beziehen, wie die Kommission und die Öffentlichkeit zu informieren sind und wann Pläne zur Immissionsreduktion entwickelt werden müssen, um überhöhte Schadstoffkonzentrationen zu verringern. (Kapitel über die Umsetzung der EU-Richtlinien über Luftqualität).

Die Anforderungen hinsichtlich der Beurteilung der Luftqualität schließen Maßnahmen zur Messung und Modellierung aktueller Luftverschmutzung ein. Die Richtlinienartikel über die Kontrolle der Luftqualität definieren die Anforderungen für die vorbeugende Reduktion von Immissionen in Gebieten, in denen mit einer zukünftigen Überschreitung der Grenzwerte zu rechnen ist. Wenn die Grenzwerte oder andere Schwellenwerte in Kraft treten, wird im Fall der Gefahr einer Überschreitung dieser Werte die Entwicklung von Aktionsplänen verbindlich vorgeschrieben sein.

Die Richtlinien über Luftqualität führen verschiedene Berichtspflichten ein. Die Richtlinien beziehen sich auf die nationale Ebene, aber viele Mitgliedstaaten haben die Verantwortung dafür auf die regionale oder lokale Ebene übertragen. Über die Luftqualität und die Maßnahmen zu ihrer Verbesserung ist regelmäßige Bericht zu erstatten. Da diese Berichte es u.a. den Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, voneinander zu lernen, hat die Kommission sich entschlossen, die Ergebnisse dieser Berichte zu veröffentlichen.

Die EU-Richtlinien über Luftqualität messen der Information der Öffentlichkeit entscheidende Bedeutung bei, besonders im Hinblick auf anfällige Menschen, die unter Erkrankungen der Atemwege leiden. Außerdem schreiben die Richtlinien vor, dass die Öffentlichkeit über Pläne und Programme zur Reduzierung der Luftverschmutzung zu informieren ist. In manchen Mitgliedstaaten liegt auch die Verantwortung für die Information der Öffentlichkeit bei den örtlichen Behörden.

Die Anforderungen, die städtische Gebiete zur Umsetzung der Richtlinien erfüllen müssen, schließen die Entwicklung von Strategien für Luftqualität und Aktionsplänen auf lokaler Ebene ebenso ein wie Maßnahmen für die Überwachung der Luftqualität. Beachtung, Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung dieser Maßnahmen sind für die Verbesserung der Qualität unserer Luft und allgemein zur Erreichung hoher Umweltschutzstandards unerlässlich (Kapitel Rechtsfragen und die Interpretation von Richtlinien).

 

BEURTEILUNG

 

Jede strukturierte Arbeit zur Verbesserung der Luftqualität beginnt mit der Beurteilung der bestehenden Situation hinsichtlich der Konzentration von Immissionen und einem Vergleich dieser Werte sowohl mit Grenzwerten für Luftqualität als auch mit Leitwerten, wie sie etwa von der Weltgesundheitsorganisation verabschiedet worden sind. Der erste und wichtigste Teil der Beurteilung besteht in der Messung der Konzentration von Immissionen. Zu den Beurteilungstechniken gehören weiterhin der Einsatz von mathematisch-physikalischen Modellen über Luftverschmutzung, um auf der Grundlage der Daten über Immissionen und meteorologische Gegebenheiten (z.B. Wind) die Immissionskonzentrationen zu berechnen. Beurteilungsmethoden wie z.B. Modellierung müssen eingesetzt werden, um mittels Projektionen über die Entwicklung der Stadt und ihrer Bevölkerung sowie der technologischen Entwicklung von Fahrzeugen, industriellen Prozessen etc. Voraussagen über die zukünftige Luftqualität machen zu können.

 

Das Kapitel über die Beurteilung der Luftqualität besteht aus zwei Unterkapiteln, von denen eins Fragen der Messung und Überwachung behandelt, während das andere allgemeinere Beurteilungsmethoden diskutiert. Die Anleitungen in der thematischen Darstellung basieren zu großen Teilen auf den Anforderungen hinsichtlich Überwachung und Beurteilung, die in den EU-Richtlinien über Luftqualität festgelegt sind.

 

Das Kapitel über Methoden zur Beurteilung der Luftqualität enthält Darstellungen von Verfahren zur Planung von städtischen Überwachungsnetzwerken für die Luftqualität und zur Lokalisierung der Messstationen sowie von Mess- und Überwachungsmethoden.

 

 

Im Kapitel über Instrumente und Methoden zur Beurteilung der Luftqualität werden sowohl Themen wie Beurteilung durch Überwachung und Modellierung als auch verschiedene Aspekte von Verfahren zur Beurteilung der Luftqualität behandelt, z.B.:

 

 

 

PLANUNG

 

Planung ist der Schlüssel zur Erreichung guter Luftqualität in den heutigen städtischen Ballungsgebieten. Diese typischerweise den lokalen Behörden obliegende Verantwortung ermöglicht es, kurzzeitige Immissionsspitzen zu vermeiden sowie mittel- und langfristig die Schadstoffemissionen zu begrenzen, um auf diese Weise die Häufigkeit solcher Ereignisse abzusenken.

 

Planen heißt zu entscheiden, was zur Erreichung eines angestrebten Ziels zu tun ist, und zwar in verschiedenen zeitlichen und räumlichen Größenordnungen. Für das Ziel Luftqualität heißt Planung, die optimale Mischung von kurzfristigen Aktionen und langfristig wirksamen Maßnahmen zu ermitteln, um die Schadstoffemissionen insgesamt zu verringern und insbesondere die Verschmutzungsniveaus in Gebieten zu senken, in denen die Grenzwerte schon überschritten sind.

 

Zu den Planungstätigkeiten gehört meist der Einsatz von computergestützten Modellen, um Voraussagen über das Verhalten des komplexen Systems „städtische Umwelt“ machen zu können, das beeinflusst werden soll. Diese Modelle umfassen ein breites Spektrum von Kategorien, und innerhalb jeder Kategorie mehrere Alternativen. Verkehr, Emissionen und Schadstoffdispersion sind Schlüsselbeispiele für diese Kategorien.

 

Die “Datenbank Gute Praxis” von INTEGAIRE enthält eine Reihe von planungsbezogenen Themen, die nach vier Problemkomplexen gegliedert sind:

 

Das Kapitel über Planungsmodelle behandelt einige grundlegende Fragen, auf die Planer Antwort geben müssen:

 

 

Die verkehrsbezogenen Maßnahmen sind heute angesichts der Bedeutung des städtischen Verkehrs im Vergleich zu anderen Verursachungsfaktoren (Industrie, Wohngebiete) die wichtigsten Maßnahmen, die zur Reduzierung von Schadstoffemissionen ergriffen werden können. Diese Maßnahmen sind in vier Kategorien geordnet, je nachdem, auf welches Glied der Mobilitätskette sie einwirken:

 

Die Landnutzungsmaßnahmen bestehen aus zwei Typen:

 

 

Die Planungsmodelle sind in Kategorien wie Landnutzungs- oder Verkehrsmodelle, Schadstoffemissionsmodelle, atmosphärische Dispersionsmodelle und integrierte Modellketten zusammengefasst. Die Darstellungen sind mit Anwendungsbeispielen solcher Modelltypen angereichert. Zu jedem Thema werden etliche Softwareinstrumente aufgelistet und Qualitätskriterien vorgeschlagen, um die Glaubwürdigkeit der Analyseergebnisse zu sichern.

 

 

[Back]